Kunstwerke des Monats 2015

Dezember 2015

Die Grabstätte des Kommerzienrates Curt Berger (1869-1948)

Hier nun ließ der Konsul Berger von der Leipziger Bauunternehmung Walter Rüde eine gänzlich aus Stahlbeton bestehende Gruftanlage in den Abmessungen 4,60m x 2,50m und einer Raumhöhe von 2,50m errichten.
Die Gesamtplanung für die Gruftanlage als auch für die darüber befindliche Grabmalarchitektur aus Muschelkalkstein einschließlich der lebensgroßen weißmarmornen Skulptur entstammte dem Atelier des namhaften Münchner Bildhauers Prof. Fritz Behn. Dies war keinesfalls Zufall, sondern begründete sich durch das enge persönliche Verhältnis, dass den Konsul Curt Berger mit dem Bildhauer Fritz Behn verband.

Der im Jahre 1878 im mecklenburgischen Klein-Grabow geborene Fritz Behn machte nach seinem 1898 begonnenen Studium der Bildhauerei an der Münchner Kunstakademie sehr schnell Karriere, und insbesondere seine während jahrelanger Afrika-Reisen entstandenen Tierplastiken fanden in der Kunstwelt große Beachtung und Anerkennung.
Mit vaterländisch-patriotischer Begeisterung zog Behn freiwillig in den Ersten Weltkrieg; nach der militärischen Niederlage Deutschlands und der Abdankung des deutschen Kaisers, die Fritz Behn als äußerst schmachvoll empfand, wirkte er ganz im Sinne eines Heldenkultes für die gefallenen deutschen Kameraden bei der Anlegung der riesigen Soldatenfriedhöfe in Nordfrankreich und Belgien mit.
Es war für Behn gleichsam eine Flucht aus dem Deutschland der Weimarer Republik, mit deren Geist er sich niemals identifizieren konnte. Von 1923 bis 1925 bereiste er Südamerika, wo spätestens zu dieser Zeit seine Begegnung mit dem Kommerzienrat und Konsul der Republik Argentinien, Curt Berger, stattgefunden hatte und die Idee geboren worden sein dürfte, Fritz Behn mit dem Projekt eines Grabstättenentwurfs samt dessen Ausführung auf dem Leipziger Südfriedhof zu betrauen.

Da die Genehmigung für das geplante Projekt am 08. Januar 1926 durch die Stadt Leipzig erteilt wurde, können wir erfahrungsgemäß mit größter Sicherheit davon ausgehen, dass die Gesamtanlage einschließlich der Skulptur spätestens im Herbst 1926 fertiggestellt worden ist.
In halbrunder Umschließung wird die Grabstätte rückseitig mit ganz aus Muschelkalkstein gefertigten Werkstücken eingefriedet. Die Anlage ist architektonisch im typischen Duktus der zwanziger Jahre von Schlichtheit geprägt und vertikal durch schwache Risalite gegliedert.
Im Zentrum findet sich die vertieft eingearbeitete Inschrift „FAMILIE CURT BERGER“, beidseitig flankiert von einer rosenblütengeschmückten, bebänderten Girlande.

Auf einem kräftigen Sockel kniet eine weißmarmorne barbusige Frau, deren Schoß von einem Tuch umhüllt ist. Ihre Mimik deutet unzweifelhaft auf Trauer, Beweinung, Verlustklage – eine konkret erklärende Deutung können wir hier nicht beibringen. Aus der schriftlich existenten familiären Chronik wissen wir, dass die Aufstellung dieser sepulkralen Skulptur auf der Familiengrabstätte nicht unumstritten war und wohl auf eine Einzelentscheidung von Curt Berger zurückgeht, für die man ihm noch heute herzlich danken sollte.
Schließlich ist diese Skulptur kunsthistorisch eine wichtiges Zeugnis des heute noch zahlreich vorhandenen künstlerischen Bestandes des Südfriedhofes, und kein Geringerer als Thomas Mann qualifizierte den Künstler mit den Worten „Fritz Behn weiß gar nicht, was für ein großartiger Künstler er ist“.  
Man könnte hier durchaus von Fritz Behn beabsichtigte erotische Motive in der Ausformung der Skulptur vermuten – betont doch sein Schüler Hans Kastler deutlich Behn´s Rolle als „großer Frauenheld bis ins hohe Alter“. 

Der Autor aber neigt sehr eindeutig dazu, diese weibliche Skulptur als eine Gäa zu interpretieren, eine Allegorie der Mutter Erde, wie wir sie beispielsweise unübertroffen von Otto Greiner dargestellt kennen. Sie ist die Mutter Erde, die Gebärerin und gleichzeitig aber auch die Todesgottheit, die den Menschen nach seinem Tode tröstend in ihren Schoß aufnimmt.

Unmittelbar vor der Skulptur verschließen drei steinerne Platten den Zugang zur Gruft sichtbar, wobei die mittlere Platte mit dem in den Stein gearbeiteten Berger´schen Familienwappen geziert ist.  
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Fritz Behn hier als Gesamtschöpfer der Grabmalanlage auftritt, was die an deren linksseitiger Flanke ganz vorn eingearbeitete Inschrift „Fritz Behn München“ belegt. Gleichermaßen zeugt auch die linksseitige Inschrift in der Plinthe der Skulptur von Behn´s Autorenschaft. 
Prof. Fritz Behn hat wie viele andere Künstlerkollegen seiner Zeit auch der Nachwelt bezüglich seiner Persönlichkeit einige Rätsel aufgegeben. So war er einerseits mit dem großen Humanisten Albert Schweitzer befreundet, den er ebenso porträtierte wie das Sängeridol Enrico Caruso und die weltberühmte Diva Maria Callas oder auch viele andere prominente Künstler; hat aber andererseits durchaus auch eifrig Porträtbüsten von Hindenburg, Hitler oder Mussolini gefertigt.
Im Januar 1970 ist Behn hochbetagt in seinem 92. Lebensjahr in München gestorben – sein Grab auf dem dortigen Nordfriedhof hat sich bis heute erhalten.

Nachdem im März 1933, erst sechzigjährig, der ledige Dr. med. Carl Berger gestorben war, wurde die Urne mit der Asche dieses jüngeren Bruders von Curt Berger eingesenkt in die Gruft.
Nur wenige Jahre später starb im Alter von 67 Jahren Curt Bergers Ehefrau Helene Emma, erstgeborene Tochter des großen Carl Ernst Mey, deren Asche am 27. September 1938, dem 69. Geburtstag von Curt Berger, in dieser Gruft beigesetzt wurde.
Und ganz im Sinne einer Familiengrabstätte fand am 15. Februar 1943 der Sarg mit dem Leichnam der drei Tage zuvor gestorbenen Gertrud Emilie Hempel, der Schwiegermutter von Curt Bergers Tochter Erika, Aufnahme in der Gruft.

Es war dies dann für Jahrzehnte die letzte Bestattung in diesem familiären Erbbegräbnis, denn der Zweite Weltkrieg und die nachfolgende Spaltung Deutschlands trennte die Familie selbst im Tode.
Als Curt Berger am 02. Juni 1948 in Buenos Aires starb, erwiesen ihm weitaus mehr als tausend Menschen in aufrichtiger Trauer die Ehre und gaben ihm das letzte Geleit.
Mit ihm wurde in Argentinien auch eine deutsche Ära zu Grabe getragen, die mit der Gründung des Deutschen Reiches ihren euphorischen Anfang nahm, nach zwei verheerenden Weltkriegen ein unheilvolles Ende fand und letztlich auch Millionen von Toten von den Lebenden trennte.  

Erst 52 Jahre nach seinem Tode wurde auf Veranlassung seiner jüngsten Tochter Waltraud im Oktober des Jahres 2000 die Asche von Curt Berger von Buenos Aires nach Leipzig überführt und hier neben der Asche seiner geliebten Frau Helene Emma beigesetzt.

Danach folgten die Beisetzungen weiterer Urnen mit den Aschen von verstorbenen Gliedern der Familie des Curt Berger, unter ihnen auch die Asche der Tochter Dr. med. Erika Hempel.  
Damit wurde gleichzeitig von den Kindern und Kindeskindern ein symbolisches Zeugnis abgelegt für die Praktizierung eines ehrenvollen traditionellen Totenkultes, der wohl erst endet, wenn deren Gedächtnis erloschen sein wird.  

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 05 /  Seite 66 ff.

November 2015

Die bronzene Prunkurne „zweier treu Liebenden“

Vermutlich befindet sich diese geheimnisvolle bronzene Prunkurne seit über hundert Jahren im Gewahrsam der Verwaltung des Leipziger Südfriedhofes.
Geheimnisvoll ist sie für uns durch ihre Beschriftung

„DIESE URNE  BEWAHRT DIE STERBLICHEN RESTE ZWEIER TREU LIEBENDEN“,

denn nachfolgend sind nur die Vornamen und das Geburtsdatum dieser Liebenden genannt; bei der Frau namens Anna ist auch der Tag ihres frühen Todes angegeben.  
Legenden berichten vom tragischen Freitod der Frau und ähnlichen traurigen Ereignissen, die  angeblich stattgefunden haben sollen.
Aber eigentlich ist es wohl viel trauriger zugegangen, wie die angestellten Nachforschungen zu den hier anonym Genannten ergeben haben.

Bei den beiden Liebenden handelt es sich um die am 02. April 1859 in Berlin als Tochter eines Malermeisters geborene Anna König, die im Herbst des Jahres 1878 im blühenden Alter von 19 Jahren den am 22. April 1853 in Hannover geborenen Kaufmann August Georg Reichert geheiratet hatte, der  schon seit 1873 als selbstständiger Handelsagent tätig war.
Offenbar sind die Eheleute sehr bald nach der Hochzeit nach Leipzig gezogen, wo sie 1879 erstmals nachweisbar sind. Die Ehe muss sehr glücklich gewesen sein und die wirtschaftlichen Verhältnisses recht solide – ab 1899 war August Reichert kaufmännischer Generalagent.
Während eines Erholungsurlaubs der Eheleute im August 1900 im oberbayrischen Bad Tölz starb „nach beinahe 22-jähriger wahrhaft glücklichster Ehe völlig unerwartet“ um die Mittagszeit des 18. August 1900 Anna Reichert in einem Tölzer Hotel in der Ludwigstraße.
Noch am Todestag wurde ihr Leichnam in Bad Tölz eingesargt und per Eisenbahn nach Gotha überführt. Drei Tage später, am 21. August 1900, verkündete August Reichert, dass sein „heißgeliebtes Weib diese Erde verlassen musste“ und die Einäscherung der Verstorbenen bereits am Tage zuvor stattfand.
Tatsächlich aber ist Anna Reichert bereits am 19. August 1900 im Gothaer Krematorium eingeäschert worden, wie das Einäscherungsregister unter der No.2414 belegt.

Dann wurde eigens diese bronzene Prunkurne gefertigt, um dereinst die Aschen „zweier treu Liebenden“ auch im Tode vereint für die Ewigkeit zu bewahren.

Aber der verwitwete August hatte sich offenbar anders entschieden und Käthe Siegel geheiratet. Bald schon aber, am 07. Mai 1908, starb August „nach kurzer, aber schwerer Krankheit“  im Alter von 55 Jahren. Sein Leichnam wurde nach der Begräbnisfeier in der Kapelle des Leipziger Neuen Johannisfriedhofes nach Gotha überführt und im dortigen Krematorium eingeäschert, wie das Einäscherungsregister am 10. Mai unter der No.5044 belegt.    

Doch seine Asche gelangte niemals in diese Urne – und am Ende bleiben viele Fragen.

Zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 05 Seite 157

Oktober 2015

Die Grabstätte des Hoteliers Paul Niederlein (1875-1913)

Julius Gotthard Paul Niederlein war nicht nur Besitzer des Leipziger Hotels „Deutsches Haus“ am Königsplatz, sondern besaß auch in der exklusiven Wächterstraße wertvollen Immobilienbesitz. Er war 1875 im stadtnahen Dorf Lindenau geboren und hatte in jenen gründerzeitlichen Jahren offenbar eine erstaunliche Karriere gemacht.
Aber dann starb er völlig unerwartet am 18. November 1913 im Alter von erst 38 Jahren.
In ihrer Not erwarb die Witwe Clara Niederlein zwei Tage später in der X. Abteilung des Südfriedhofes zwei Rabattengräber mit den Nummern 68 und 69.
Und dort, im Grab No.69, wurde der teure Gatte am 22. November 1913 beerdigt.

Keine vier Wochen später kaufte die Witwe für 1.300 Goldmark das sich in unmittelbarer Grabesnähe, ebenso in der X. Abteilung befindliche Erbbegräbnis No.1 auf einhundert Jahre, wobei sie sich jene bereits für die beiden nunmehr überflüssig gewordenen Rabattengräber gezahlten 187,50 Goldmark prompt verrechnen ließ.

Zu Beginn des neuen Jahres, am 21. Januar 1914, beantragte sie die Errichtung einer prächtigen Grabmalanlage aus poliertem rotschwedischen Granit, versehen mit einer herrlichen Skulptur aus Carrara-Marmor sowie einem Relief aus gleichem Material mit der Darstellung des berühmten, einst von Leonardo da Vinci geschaffenen Abendmahl-Bildnisses.
Die Einfriedung dieser Denkmalanlage sollte unter Verwendung von wertvollen Bronzegittern samt einer kleinen zweiflügeligen Türanlage erfolgen.
Auch die Errichtung einer nur für zwei Särge gedachten Gruft* wünschte die junge, kinderlose Witwe als eheliche Totenstätte.
Die Ausführung sämtlicher Arbeiten übertrug Clara Niederlein der renommierten Bildhauer- und Steinmetzfirma Petzold & Mrusek aus Leipzig-Eutritzsch.



Nach der Fertigstellung der kleinen, aber feinen Gruft wurde der Sarg mit dem Leichnam des Paul Niederlein am 28. April 1914 aus seinem Grabe ausgehoben und sofort in die neuerbaute Gruft eingesenkt.
Wenige Tage später, am 05. Mai 1914, waren dann alle Arbeiten an der Grabstätte vollendet, es war dies der Geburtstag des nun hier in der Gruft ruhenden geliebten Gatten.

Allerdings verblasste dann sehr bald die Todestrauer der Witwe, die nun wieder begann, sich dem irdischen Glück zuzuwenden und schließlich einen Verehrer aus Dresden namens Beck heiratete.
Später, im Juli 1923, traf die nunmehrige Clara Beck, verwitwet gewesene Niederlein, die Entscheidung zur Aufgabe der Leipziger Grabstätte und verkaufte diese an den ihr offenbar gut bekannten Direktor Willy Poenisch aus Leipzig-Gohlis für zwei Millionen inflationierte Reichsmark.
Erst nach dem anerkannten Rechtsbestand dieser Grabstättenübertragung ließ Clara Beck am 14. August 1923 ihren vormaligen Gatten aus der Gruft holen, dessen sterbliche Überreste dann am 17. August 1923 im Krematorium des Südfriedhofes eingeäschert wurden. Bereits am folgenden Tag erfolgte der postalische Versand der Urne nach Dresden.

Aber auch für den Direktor Willy Poenisch als neuen Eigentümer sollte die Grabstätte nicht die letzte Heimstatt werden, denn am 23. November 1925 verkündete dieser gegenüber dem Friedhofsamt, seinen künftigen Wohnsitz nunmehr nach Wien zu verlegen.

Er bat deshalb um die Zustimmung, die Grabstätte der unmittelbar in seiner Nachbarschaft wohnenden Fabrikantenfamilie Fomm zu übertragen, die das baldige Ableben ihres Patriarchen erwartete.

Tatsächlich starb bereits am folgenden Tage, dem 24. November 1925, der Maschinenfabrikant Georg Fomm, der übrigens auch ein Logenbruder von Willy Poenisch gewesen war. Am 26. November 1925 verkündete die Freimaurerloge, dass „heute nachmittag 1 ½ Uhr die Beerdigung des in den ewigen Osten eingegangenen Bruders Georg Fomm“ sein wird.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“

Band 05, S.118 ff.

September 2015

Das Ehrenmal des 8. Königlich Sächsischen Infanterie-Regiments No.107 „Prinz Johann Georg“

Der Bau des Ehrenmales für die Gefallenen des 8. Königlich Sächsischen Infanterie-Regiments No.107 geht auf eine Initiative des Leipziger „Offiziersverein 107 e.V.“ unter dem Vorsitz des Oberst a.D. Oskar Schieblich zurück.Dieser beantragte in einem handschriftlichen Brief vom 07. Juli 1921 bei der Leipziger Stadtverwaltung die Errichtung des Denkmales im Bereich der XV. Abteilung des Südfriedhofes, in der ohnehin zahlreiche Helden beerdigt worden sind, die in Leipziger Lazaretten gestorben waren.
Allerdings fand weder der Friedhofsdirektor Gustav Mönch noch der Stadtbaurat Bühring diese Standortwahl optimal. Nachdem das Denkmalmodell des namhaften Architekten Otto Paul Burghardt (1875-1959) in einem Gohliser Lokal besichtigt werden konnte und auch in der Ausgabe der Leipziger Neuesten Nachrichten vom 05. August 1921 abgedruckt worden ist, prüfte man schließlich mehrere Standortvarianten auf dem Südfriedhof, bevor sich sich der Oberst a.D. Oskar Schieblich letztlich für den heutigen Standort in der XX. Abteilung entschied.
So wurde am 22. August 1921 durch den Architekten Otto Paul Burghardt offiziell die Baugenehmigung für die Errichtung des Ehrenmales beantragt, dessen Fertigstellung bis Ende April 1922 wir belegen können.

Die Feiern zur Denkmalweihe, die einem Stadtfest glichen, fanden am 06. und 07. Mai 1922, einem sonnigen Maienwochenende, statt. Tausende ehemalige Regimentsangehörige, darunter auch die Kommandeure Generalmajor von Koppenfels, Oberst Freiherr von Bodenhausen und Oberst Aster, waren zugegen.
Am Sonntag, den 07. Mai 1922 zog man um 10 Uhr von verschiedenen innerstädtischen Treffpunkten in mehreren Marschkolonnen zum Südfriedhof, wo um 11 Uhr die Weiheveranstaltung begann.
Zwei Bataillonskapellen des Reichswehr-Regimentes 11 spielten, auch Händels „Largo“ erklang und der Leipziger Männerchor sang kräftig unter der Leitung von Professor Gustav Wohlgemuth.
Die markige Hauptrede hielt ausgerechnet ein Mann der Kirche, der Leipziger Pfarrer Mühlhausen.
Und zum Abschluss sangen tausende Anwesende das einst von Uhland gedichtete und von Silcher vertonte, allbekannte Lied „Ich hatt einen Kameraden …“, welches längst zur Opferhymne erhoben worden war.

Der stattliche Pfeilerrundbau misst im Durchmesser etwa sechs Meter bei einer Höhe von reichlich drei Metern.
Während der Sockelbereich samt Fußboden gänzlich aus Muschelkalkstein gestaltet ist, hat man für die Ausführung der kräftigen Pfeiler als auch für den umlaufenden, zahnfriesgeschmückten Architrav den harten Postaer Sandstein verwendet.
Außenseitig finden sich drei unterschiedlich gestaltete bronzene Soldatenköpfe, helmbewehrt und mit steinernem Eichenlaub umkränzt.
Jeder dieser drei Soldatenköpfe steht symbolisch für eine der insgesamt drei Formationen des 8. Infanterie-Regiments No.107 „Prinz Johann Georg“, welches neben dem Kernregiment noch über ein Reserveregiment sowie ein Landwehrregiment verfügte.
Unter diesen symbolischen Soldatenköpfen sind für alle Zeiten nach außen sichtbar die Namen der großen Schlachtenorte eingemeißelt; darunter findet sich ein kräftiger Kragstein als Halterung für größeren Kranzschmuck, mit dem bei entsprechenden Heldengedenktagen die Stätte geschmückt wurde.
Im Innern dieses Rundbaues findet sich jeweils ansichtig bei den drei Formationspfeilern im Sockelbereich ein leicht vorkragender, altarartiger Aufbau, der mit einem aus dem Stein gearbeiteten Richtschwert geschmückt ist. Darüber verweist eine große, hochrechteckige Bronzeplatte mit eichenlaubgeschmückter Girlande auf den heldenmutigen Opfergang der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten für König, Kaiser und Vaterland.
Zählt man die hier ausgewiesenen Zahlen der Gefallenen zusammen, so ergibt sich daraus, dass 250 Offiziere und 7.632 Unteroffiziere und Soldaten starben. Aber diese Zahlen belegen nicht im Ansatz die wirklichen Verluste, denn die Verwundeten, die Vermissten oder die in Gefangenschaft geratenen Kameraden finden hier keine Erwähnung.
Weitaus repräsentativer, gemessen an den tatsächlichen Zahlen, wirkt die Gesamtverlustzahl des Kernregimentes des ebenfalls in Leipzig beheimateten 7. Infanterieregiments No.106 – zu den 2.628 Gefallenen kamen 6.998 Verwundete hinzu sowie 849 Vermisste und 1.599 in Gefangenschaft geratene Kameraden, so dass die Summe sich letztlich auf 12.074 belief.
Soviel Tote und soviel Krüppel! Das konnte ohne eine nachvollziehbare Rechtfertigung dem Volke kaum vermittelt werden.
Deshalb verkünden diese Tafeln, dass sie „fielen auf blutiger Walstatt“ für „die Ehre des deutschen Volkes“ sowie „im Glauben an den Sieg und an Deutschlands Größe“. Ebenso fehlt auch hier nicht die Geschichtslüge vom Kampf „gegen eine Welt von Feinden“. Und in der Beschwörung „das Reich muss uns doch bleiben!“ kündigt man bereits in der Bereitschaft zu neuen Opfergängen eine Revanche an.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul
„Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“  Band 05 S. 126 ff.

August 2015
Grabstein Gerhard Schmacht

Das Scheingrab des Gerhard Schmacht (1887-1915)

Am Fuße des Völkerschlachtdenkmales, wo sich nach Westen hin der Südfriedhof in seiner imposanten Weite öffnet, hat sich insbesondere in den leidvollen Jahren des Ersten Weltkrieges ein großräumiges Refugium von vielen, vielen Gräbern gebildet, in denen die gefallenen Helden dieses mörderischen Krieges ruhen, nachdem man ihnen ihr junges Leben genommen hat.
Es sind dies die Opfer einer ganzen verführten Generation, die mitunter tatsächlich gläubig meinten, sie müssten für ihre Heimat, der man den Namen Vaterland gab, auch bereit sein, zu sterben.
Sie hatten auch auf den elf Meter hohen Erzengel Michael vertraut, der die Front dieses größten europäischen Kriegerdenkmales ziert, und sie haben geglaubt, dass er sie mit seinem Flammenschwert und dem Adlerblick in einen siegreichen und vermeintlich gerechten Kampf gegen eine Welt von Feinden geleitet, mit dem Herrgott an ihrer Seite.
Ihrem Heldentod aber fehlte letztlich jede antike Aura und jedes Pathos des Opfertodes. Sie wurden von Granaten zerrissen, sie verbluteten im Kugelhagel der feindlichen Maschinengewehre, sie starben als Kampfflieger am feindlichen Himmel der Gegner oder sie wurden heimtückisch gemeuchelt in den Giftgaswolken der Flandernschlacht bei Ypern.

Die Tageszeitung „Leipziger Neueste Nachrichten“ titelte am Freitag, 16. Juli 1915, großartig mit der Verkündung „Przasnysz zurückerobert“.

Dahinter verbirgt sich schlichtweg die militärische Tatsache, dass diese etwa 100 Kilometer nördlich von Warschau gelegene Stadt samt Umland am 24. Februar 1915 von den deutschen Truppen des Generals Max von Gallwitz (1852-1937) eingenommen wurde, mitsamt 10.000 russischen Kriegsgefangenen, darunter 57 Offizieren und vielerlei erbeutetem Kriegsgerät. Über die sicherlich nicht unbeträchtliche Anzahl der auf beiden Seiten Gefallenen schwieg man sich aus.
Nach einem wochenlangen Stellungskrieg wurde Przasnysz zunächst zwar durch russische Soldaten zurückerobert, fiel aber nach einer Offensive am 15. Juli 1915 wiederum in deutsche Hände. Drei Tage später vermeldete die genannte Zeitung euphorisch auf der Titelseite mit dem Beitrag „Ein großer Sieg in Nordpolen“ diesen Sieg der deutschen Waffen und erwähnte die Gefangennahme von 20.000 Russen.

Mit keinem Wort gedachte man der in diesen Kämpfen auf beiden Seiten sinnlos gefallenen Toten.
Der junge Leipziger Diplomingenieur Gerhard Schmacht aber gehörte am 15. Juli 1915 zu den Soldaten von Przasnysz, die dem Vaterland geopfert wurden, wenngleich die hier schon genannte Leipziger Tageszeitung am 25. Juli 1915 in ihrer Sonntagsausgabe auf Seite 6 in der Todesanzeige der Familie den genauen Ort dieses Heldentodes mit dem Verweis „bei den Kämpfen im Osten“ verschleierte.

Nachdem der im Alter von 27 Jahren dem Leben entrissene Gerhard Schmacht in fremder Erde beerdigt wurde, hatten seine Eltern anfänglich vermutlich noch auf eine spätere Überführung des gefallenen Sohnes in die Heimat gehofft.
Diese Hoffnung scheint aber im Spätsommer 1916 in Anbetracht der militärischen Entwicklung auf den entscheidenden Kriegsschauplätzen zu verblassen.
Dennoch erwarb der wohlhabende Vater Wilhelm Schmacht, Kaufmann und Inhaber der Leipziger Wollfirma Scheffer & Schmacht, am 01. September 1916 in der XVI. Abteilung des Südfriedhofes – eben am Fuße des Völkerschlachtdenkmales – zum üblichen Preis von 2.700 Goldmark das hundertjährige Nutzungsrecht an der Wahlstelle No. 91.
Und am 04. November 1916 ersuchte der renommierte Leipziger Bildhauermeister Alfred Fränzel bei der Verwaltung des Südfriedhofes um die Genehmigung zur Aufstellung eines gewaltigen Findlings aus granitähnlichem Material von 2,70 m Höhe als Grabmal für den gefallenen Gerhard Schmacht.
Bereits drei Tage später genehmigte der Friedhofsdirektor Gustav Mönch diesen Antrag und wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Aufstellung dieses Findlings noch im gleichen Monat, bis zum Totensonntag 1916, durch Alfred Fränzel erfolgt ist.
Zum Zeitpunkt der Erwerbung der Grabstätte und der Errichtung des Grabmales für den gefallenen Sohn ist der Vater 60 Jahre alt; und Gott weiß, er wird noch zwanzig Jahre leben, und seine Gattin noch länger.
Deshalb war diese Grabstätte für viele Jahre ein Kenotaph, ein Scheingrab, für den in fremder Erde ruhenden Sohn Gerhard, aber gleichsam auch den Eltern ein wichtiger Ort der Trauerbewältigung und des liebevollen Andenkens.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 05  S.34 ff.


Schwarzgerahmtes Porträtmedaillon Gerhard Schmacht – Bildhauer Prof. Felix Pfeifer, 1916

Juli 2015

Das Grabmal für den Restaurateur Moritz Tietsch

Einem in der Tageszeitung „Leipziger Neueste Nachrichten“ vom 25. April 1898 veröffentlichten Nekrolog entnehmen wir recht anschaulich ein Bild des zwei Tage zuvor verstorbenen Gastwirtes Moritz Tietsch.

Darin lesen wir:
„In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag, um die Mitternachtsstunde, als draußen auf den Straßen die Festeswogen noch hoch gingen, als von dem Dache unseres Panorama-Gebäudes am Roßplatz riesige Flammen zur Ehre unseres Königs gen Himmel emporloderten, hauchte auf dem Krankenlager, auf dem er die letzten Monate zubringen musste, ein Mann sein Leben aus, der für unser Leipzig mehr als die Bedeutung eines Gastwirths hatte: Moritz Tietsch.
Als er im Jahre 1892 das Panorama-Etablissement übernahm, übernahm er zugleich mit dem damals für unsere Stadt größten Restaurant die Panorama-Schaustellung.
Die Schlachtenbilder aus dem deutsch-französischen Kriege, die bis dahin dort gezeigt wurden, mussten nach einigen Jahren weichen, damit für eine Lieblingsidee Moritz Tietsch´s Raum geschafft wurde.
„In einem Leipzig, der denkwürdigen Stätte der Völkerschlacht, durch welche die Welt in andere Bahnen gelenkt wurde, hat an erster Stelle ein Völkerschlacht-Panorama seine Berechtigung“ sagte sich Tietsch und mit eisernem Fleiße machte er sich daran, diese seine Idee in die Wirklichkeit zu übertragen.
In den Malern Sinding und Anacrona fand er hochwillkommene künstlerische Bundesgenossen und aus der gemeinsamen Arbeit ging das hervor, was wir Alle heute kennen und schätzen. Einen hohen Grad von Befriedigung an dem geschaffenen Werk empfand Tietsch selbst: der Eröffnungstag des neuen Panoramas, dem der Schreiber dieser Zeilen beiwohnte, zählte, wie ihm der Vater der Idee damals selbst sagte, zu den glücklichsten seines Lebens! Aber neben der Schaustellung des Panoramas vergas Herr Tietsch auch seine gastronomischen Pflichten nicht, er wahrte, ja erhöhte noch den Ruf des Panorama – Restaurants als eine Muster-Wirthschaft, als welche es in ganz Deutschland bekannt ist. Die Freundlichkeit und dabei Originalität seines Wesens sicherten dem Wirth in der Stadt große Beliebtheit.
Nun hat auch ihn, der noch im besten Mannesalter stand, der unerbittliche Tod hinweggerafft – Moritz Tietsch ruhe in Frieden!“



Moritz Tietsch wurde 46 Jahre alt. 17 lange Wochen verbrachte er todkrank auf seinem Krankenlager; so exakt vermeldet es die Traueranzeige der Mitarbeiter des verstorbenen Moritz Tietsch in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“. Er starb am 23. April 1898 nachmittags um 11¾ Uhr, das heißt, eine Viertelstunde vor Mitternacht, während man mit viel Getöse und Illuminationen den 70. Geburtstag des sächsischen Königs Albert (1828 -1902) auch in Leipzig feierte.

Zum Begräbnis versammelten sich am 27. April 1898 um ¼ vor 4 Uhr zahlreiche Vereine, Chöre und auch die Leipziger Schützengesellschaft vor Leipzigs Panorama-Rotunde, um sich mit vielen Kutschen dann zur Parentationshalle des Neuen Johannesfriedhofes zu begeben.

Am Ende der dort um 4 Uhr begonnenen Begräbnisfeierlichkeit geleitete man den Toten dann zu seinem Grabe. Hinter dem schweren eichenen Pfostensarg schritten die Witwe mit ihren vier Töchtern und den zwei Söhnen.

Als ein gutes Jahr später der namhafte Leipziger Bildhauer Robert Schenker das von der Witwe Pauline Tietsch in Auftrag gegebene Grabmal auf der Grabstätte ihres verstorbenen Gatten errichten wollte, taten sich plötzliche Schwierigkeiten auf. Weil das prächtige Grabmal wenige Zentimeter zu breit war, bat Robert Schenker am 14. August 1899 in einem Schreiben an die Verwaltung des Neuen Johannisfriedhofes inständig um eine ausnahmsweise Genehmigung für die Errichtung des etwas zu breiten Grabmales.

Da die Friedhofsverwaltung aber derart in bürokratischen Strukturen befangen war, sodass man in solchen Fällen kaum auf Verständnis hoffen durfte, fand sich letztlich keine Möglichkeit, das fertige und überdies noch sehr schöne Grabdenkmal für Moritz Tietsch auf seiner letzten Ruhestätte zu errichten.

In fassungslosem Zorn über dieses unsensible Verhalten der Friedhofsverwaltung erwarb wenige Tage später die Witwe Pauline Tietsch auf dem 1886 geweihten und in seiner ersten Flächenerweiterung befindlichen Südfriedhof in dessen V. Abteilung eine wiederum aus zwei Gräbern bestehende Grabstätte.
Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass spätestens Anfang September 1899 von Robert Schenker hier über einem gehörig tiefen Ziegelfundament zumindest die rückseitige Grabmalfront errichtet wurde.
Und auch der so außerordentlich prächtige weißmarmorne Engel mit seinen riesigen Flügeln  stand schon vor dem gewaltigen Kreuz aus schwarzem schwedischen Granit und segnete diesen Ort, als in der kühlen Morgenfrühe des 13. September 1899 die Exhumierung des Sarges von Moritz Tietsch auf dem Neuen Johannisfriedhof und dessen Überführung zum Südfriedhof erfolgte, wo er am gleichen Tage ungeöffnet in seinem neuen Grabe eingebettet wurde.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“   Band No.05 S. 54 ff.         

   

 

Juni 2015

Die Grabstätte des Tuchhändlers Paul Knaur

Im Jahre 1880 gründete als junger Mann der 1856 in Leipzig geborene Paul Knaur in seiner Heimatstadt ein Tuchhandelsgeschäft, welches sehr bald zum größten deutschen „Spezialgeschäft in Tuchen und Buckskins“ (Anzug-  und Kostümstoffe) aufgestiegen sein wird.
Für diese eindrucksvolle unternehmerische Karriere belohnte ihn später der sächsische König mit dem honorigen Titel eines Königlich-Sächsischen Kommerzienrates.
Die private Welt des Paul Knaur war ohne Schatten, denn er war mit einer guten Frau und den gemeinsamen Söhnen Paul und Arno sowie den drei Töchtern Elisabeth, Hermine und Olga gesegnet worden.
Als dann aber mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges der millionenfache Brudermord begann, zahlte auch Paul Knaur gleich zu Anfang den familiären Blutzoll für Kaiser, König und Vaterland.
Schon im ersten Kriegsmonat starb am 26. August 1914 in einem Feldlazarett im belgischen Sorinnes der jüngere Sohn Paul als Leutnant des Husarenregimentes No.18 im besten Alter von 30 Jahren, nachdem er „auf dem Felde der Ehre“ in Nordfrankreich, beim damaligen Erzfeind aller Deutschen, schwer verwundet worden war.

Dieser erste Sohnestod war also der traurige Grund, weshalb der Kommerzienrat Paul Knaur am 26. September 1914 für 2700 Goldmark in der VI. Abteilung des Südfriedhofes auf hundert Jahre die Wahlstelle No.64 erworben hat.  
Offenbar war man im Hause Knaur zu dieser Zeit aber noch sehr zuversichtlich, was den baldigen Sieg der deutschen Waffen anbelangte. Denn der in fremder Erde ruhende, für das Vaterland gefallene Sohn sollte erst nach dem vermeintlich sicheren Sieg in die Heimat überführt werden, hier sein Heldengrab finden und durch ein würdiges Denkmal gebührend geehrt werden.

Aber der Krieg zog sich hin und sehr bald holte das Schicksal aus zu einem zweiten tödlichen Schlag gegen die Familie, als es ihr auch den anderen, letzten Sohn für immer nahm. Am 22. Juni 1915 erlosch in einem Heimatlazarett in Frankfurt/Main das Leben des erstgeborenen Sohnes Arno mit 33 Jahren, nachdem er als Oberleutnant des Torgauer  Feldartillerie-Regimentes No.71 und dekorierter Ritter des Eisernen Kreuzes „in den heissen Kämpfen im Westen“ schwerste Verwundungen erhalten hatte.  
Aber der baldig erhoffte Sieg blieb in weiter Ferne, und so handelte Paul Knaur nun entschlossen und ohne Verzug, um seine toten Söhne aus dem umkämpften Feindesland zu holen und hier, in der Heimat, mit der ihm verbliebenen Familie an deren Gräbern zu trauern.
Aber plötzlich verwarf er die geplante Erdbestattung seiner Söhne  und entschied sich für den Bau einer Gruft.
Paul Knaur erteilte dem Architekten Georg Wünschmann, der erst 1906/07 sein neues Geschäftshaus in der Roßstraße errichtet hatte, den Auftrag für dieses Gruftbauprojekt.
Innerhalb von drei Wochen, im Zeitraum zwischen Ende Juni und Mitte Juli 1915, erfolgte durch die renommierte Baufirma „Eduard Steyer“ der Bau der Gruft mit der Grundfläche von 4,35 m x 4,35 m und einer lichten Raumhöhe von 2,80 m.

Nachdem die Grabkammer errichtet war, beantragte Paul Knaur unter Einreichung entsprechender Bauzeichnungen des Architekten Georg Wünschmann am 16. Juli 1915 die Errichtung der monumentalen Grabmalanlage über der Gruft.
Paul Knaur bat „um recht baldige Genehmigung, da wegen der dringend notwendigen Beisetzung meiner Söhne die Arbeiten sofort in Angriff genommen werden müssen“.
In dem Gesuch wurde als verwendetes Material deutscher Travertin genannt und erwähnt, dass die Mittelachse der Grabmalrückwand durch die Gruftplatte und ein „Broncerelief“ betont werden wird. Bronzene Lettern sollten die Namen der hier beigesetzten Söhne verkünden.    

Der Oberinspektor Gustav Mönch, der eigentliche Schöpfer des Südfriedhofes und fraglos auch in solchen Genehmigungsfragen ein höchst kompetenter Entscheidungsbeteiligter, äußerte sich schriftlich gegen den Entwurf, weil das Denkmal ihm zu breit angelegt erschien und sich „in die waldartige Situation schwer einfügen lassen dürfte“.
Aber die einflussreiche Allianz des Paul Knaur, bestehend aus dem Architekten Georg Wünschmann, dem zuständigen Stadtrat Lampe und dem erst jüngst in sein Amt berufenen Stadtbaurat Carl James Bühring, die sich für die Ausführung des Denkmalentwurfes verantwortlich zeichnete, erteilte dem Projekt ihren sofortigen Segen, sodass es dann auch bereits Anfang September 1915 vollendet war.
Da die umfänglichen Baumaßnahmen allerdings weitaus mehr Platz beanspruchten, als die ursprünglich erworbenen 27 Quadratmeter boten, erwarb Paul Knaur im Nachgang noch die zusätzlich beanspruchte Fläche von ca. 22 qm für reichlich 2000 Goldmark.

Zwischenzeitlich waren die Leichen der beiden gefallenen Söhne ausgebettet und nach Leipzig überführt worden – seinerzeit übrigens ein lohnenswertes Geschäft, auch für Leipziger Bestattungsunternehmen, die diese Dienstleistungen der „Heimholung gefallener Helden“ beständig in den Leipziger Tageszeitungen inserierten.
Mit einiger Sicherheit können wir davon ausgehen, dass die Beisetzung der Särge mit den sterblichen Überresten der Söhne von Paul Knaur in der Gruft am 07. September 1915 erfolgte.

Zuvor waren bereits deren Namen, Lebensdaten etc. und eine höchst patriotische Dichtung des Lützower Jägers Theodor Körner (1791-1813), die den Kriegstod dieser beiden Offiziere beinahe als ein freudiges Vaterlandsopfer erscheinen lässt und auf deren wörtliche Wiedergabe wir hier nicht verzichten wollen, in bronzenen Lettern an der rückseitigen Grabmalwand angebracht worden:

„WER MUTIG FÜR SEIN VATERLAND GEFALLEN,

DER BAUT SICH SELBST EIN EWIG MONUMENT

IM TREUEN HERZEN SEINER LANDESBRÜDER

UND DIES GEBÄUDE STÜRZT KEIN STURMWIND NIEDER“.

 
Diese Demagogie, mit der man millionenfach junge Männer dem Tod geweiht hatte, findet eine bildliche Ergänzung durch das vom Bildhauer Arthur Heinrich geschaffene bronzene Relief im Zentrum der Grabmalwand.
Hier sehen wir linksseitig allegorisch dargestellt die beiden Söhne des Kommerzienrates Paul Knaur, wie sie sich mit athletischer Jugendkraft und kampfentschlossener Mimik unmissverständlich zum pflichtschuldigen Waffengang für ein vermeintlich bedrohtes Vaterland bekennen.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 05 S. 44 ff.

Mai 2015

Die Grabstätte des Geheimen Rates Professor Heinrich Curschmann (1846-1910)

Am 07. Mai 1910 verkündeten die Titelseiten der Leipziger Zeitungen unübersehbar den Tod des englischen Königs Edward VII., der am Vortag am kranken Herzen gestorben war.
Aber noch ein zweiter Todesfall, der bei vielen Leipziger Bürgern eine deutlich stärkere Betroffenheit auslöste, wurde an diesem Tage in der Presse wie folgt vermeldet:

„Gestern mittag starb in Leipzig an Herzschlag der Ordinarius der speziellen Pathologie und Therapie der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und Direktor der medizinischen Klinik Geh. Rat Prof. Dr. med. Curschmann im noch nicht vollendeten 64. Lebensjahre“.

An anderer Stelle auf der gleichen Seite dieser Zeitung erhalten wir eine weitere, wohl  zuverlässigere Information zum Tode dieses großen Mediziners:

„Geheimer Rat Professor Dr. Curschmann, der Direktor der medizinischen Klinik im Leipziger Krankenhaus, ist am gestrigen Vormittag an den Folgen einer akuten Nierenentzündung gestorben. Der Tod ist, wenn schon Professor Dr. Curschmann in den letzten Wochen leidend war, doch unerwartet rasch eingetreten.
Geheimrat Curschmann war am Sonntag noch an der Stätte seiner eigentlichen Wirksamkeit im Leipziger Krankenhaus anwesend.“ 

Die Trauerfeier für den an einem Freitag gestorbenen Geheimen Rat Prof. Curschmann begann am Montagnachmittag, dem 09. Mai 1910, um 3 Uhr in der Universitätskirche St. Pauli.

„Vor dem Altarplatz, auf dem der Dahingeschiedene aufgebahrt war, baute sich eine Fülle der köstlichsten Trauerspenden auf. Aus Palmwedeln und Lorbeerkränzen und Blumenarrangements von Riesengröße ragte der Sarg hervor, zu dessen beiden Seiten die Angehörigen des Heimgegangenen, dessen Universitätskollegen mit dem Rector magnificus, sowie erste Vertreter von Landes- und Stadtbehörden Platz genommen hatten.        
Im hinteren Altarraum standen die Deputationen der studentischen Vereinigungen in Wichs und mit den umflorten Fahnen und vor dem Sarg saßen im Schiff der Kirche von nah und fern die weiteren ärztlichen Kollegen des Verstorbenen sowie die sonstigen Leidtragenden.
Auch die Emporen waren von Teilnehmern am Trauerakt besetzt und vor der Orgel, mit deren ernsten Klängen der Letztere begann, hatten die Sänger des Paulus Aufstellung genommen, um mit Petschkes weihevollem Lied „Des Lebens Tag“ die Trauerfeier zu umrahmen.
Universitätsprediger Geh. Kirchenrat Professor D. Rietschel lieh der Trauer um den heimgegangenen Freund, Kollegen und Arzt in eingehender Rede tiefempfundene Worte.
Er erinnerte daran, wie Heinrich Curschmann kürzlich erst in seinem geliebten Meran Erholung gesucht und gefunden habe, wie ihn dann am Sonntag vor acht Tagen plötzlich die tückische Krankheit ergriffen und bereits am Freitag seinen Tod herbeigeführt habe, den noch am Abend vorher die Ärzte nicht im geringsten ahnten“.

Nachdem zahlreiche weitere Redner das Leben des bedeutenden Mannes gewürdigt hatten und der Trauerakt beendet war, ordnete sich der Kondukt im Hofe des Paulinums, dem Mauricianum, um sich auf den letzten Weg zu begeben, hin zur Grabesstätte auf dem Südfriedhof.
Über 30 Fahnenträger gingen vor dem vierspännigen Leichenwagen, dem ein großer Lorbeerkranz mit breiter weiß-grüner Schleife und den Initialen des sächsischen Königs Friedrich August III. vorangetragen wurde.      

Der Sarg war geschmückt mit Kränzen zahlreicher fürstlicher Häuser, darunter auch vom sächsischen Prinzen Johann Georg sowie des Großherzogs von Hessen.
Hinter dem Leichenwagen kamen zwei weitere, von Pferden gezogene Wagen, die mit Kränzen und Trauergebinden beladen waren. Danach folgte im Kutschwagen die Witwe des verstorbenen Geheimen Rates Prof. Heinrich Curschmann mit der einzigen Tochter Margarethe sowie den beiden Söhnen Fritz und Hans.
Mehrere hundert Menschen geleiteten den Trauerzug vorbei an der Universität, durch die Johannisgasse und die damalige Hospitalstraße zum Südfriedhof.
In einem besonderen Areal der II. Abteilung des Südfriedhofes, in dem die Universität nach jahrhundertealter Tradition bis in unsere Tage ein privilegiertes Gräberfeld besitzt, wurde Heinrich Curschmann in einer aus vier nebeneinanderliegenden Rabattengräbern bestehenden Grabstätte der Universität beerdigt. Nachdem der Geistliche das Gebet gesprochen und den Segen gespendet hatte, wurde der Sarg hinabgesenkt, während die Sänger tröstlich sangen „Es ist bestimmt in Gottes Rat…“.

Nach Ablauf des Trauerjahres wurde im Jahre 1911 das nach einem Entwurf des Bildhauers Prof. Max Lange in deutlichen Formen des Jugendstils gefertigte stelenartige Grabmal aus Muschelkalkstein errichtet, auf dem sich als einziger Schmuck bekrönend eine Rosengirlande findet.
Das reliefartige bronzene Porträtbildnis ist von Max Lange ebenso wie eine fast identische kleine Bronzeplakette im Jahre 1911 posthum gefertigt worden und zeigt Heinrich Curschmann am Ende seines Lebens. Wenngleich der Name der Gussstätte uns nicht überliefert ist, so verweist vieles auf die Gießerei Glaser & Sohn in Dresden.

In Auszügen zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 05  S. 38 ff.

April 2015

Die Greifenplatte des Druckereibesitzers Karl Friedrich Julius Süß (1860-1922)

Auch im Leipziger Kolumbarium befanden sich einst freistehend prachtvolle Urnen aus Bronze, Marmor oder Serpentin. Selbst die Verschlussplatten der unterschiedlich großen Urnennischen waren mitunter sehr individuell gestaltet.
Ein interessantes Zeugnis bietet die Verschlussplatte der Urnenkammer O 13 im unterirdischen Teil des Kolumbariums, die jene Nische als den Grabesort der Familie des Leipziger  Buchdruckereibesitzers Karl Friedrich Julius Süss bezeichnet.
Süss stammte aus dem erzgebirgischen Lengefeld und hatte einst in Leipzig-Reudnitz eine gut gehende Stein- und Buchdruckerei begründet.
Er starb am 16. Juni 1922 im Alter von 62 Jahren im kleinen Harzstädtchen Stolberg, wobei uns die genauen Todesumstände nicht bekannt sind.
Nach der Überführung seines Leichnams nach Leipzig wurde dieser am 23. Juni 1922 im dortigen Krematorium eingeäschert und noch am gleichen Tage erfolgte die Beisetzung seiner Asche in der Nische O 13 im Kolumbarium, die zuvor die Witwe erworben hatte.
Offenbar wurde wenig später der angesehene Bildhauer Prof. Adolf Lehnert, zu dieser Zeit noch Leiter der Bildhauerklasse an der hiesigen Kunstakademie, von der Witwe mit der Schaffung einer künstlerisch gestalteten Verschlussplatte für die erworbene Kolumbariumsnische beauftragt, die vorübergehend mit einer üblichen Natursteinplatte verschlossen worden war. Und Adolf Lehnert, so bezeugt die Inschrift an der Platte, hat dieses Werk noch im zweiten Halbjahr 1922 geschaffen. Die ungewöhnlich schnelle Ausführung dieser Arbeit  könnte sich aus der schwierigen auftragsarmen Zeit nach dem Weltkrieg erklären, in der sich die Inflation gleichermaßen lähmend auf die Auftragslage der Künstler auswirkte.

Die Witwe, die zuvor im Weltkriege bereits ihren Sohn Eugen Julius Walter verloren hatte, der als Leutnant im französischen Guillemont gefallen war und in jener fremden Erde ruht, wollte dessen Namen auf der Platte verewigt wissen – ansonsten, so scheint es, vertraute sie hinsichtlich der Wahl der thematischen Bilddarstellung als auch des verwendeten Materials allein dem Künstler.

Lehnert wählte den feinen französischen Savonnier-Kalkstein, wie man ihn auch bereits für die Fertigung einiger schmückender Architekturglieder im Bereich des Kolumbariums verwendet hatte.
Als Bildmotiv bestimmte er zwei edle Greifen – jene bereits vor Jahrtausenden ersonnenen Mischwesen aus Löwe und Adler, die sich schon in der ägyptischen Kultur der Pharaonen wie auch am Thron des Königs Minos im kretischen Tempel von Knossos finden.
Der Greif ist von vielfältigster Symbolik – insbesondere die Verschmelzung der beiden königlichen Tiere, des Löwen und des Adlers, die über Erde und Luft herrschen, deuten symbolisch auf Christus als den König des Himmels und der Erde.
Aber gleichsam dürfte der Greif an diesem Ort auch in seiner Wächterfunktion bedeutungsvoll sein, denn die im Zentrum der Reliefplatte befindliche Urne wird beidseitig von einem Greifen flankiert, der jeweils mit einer Pranke das Aschegefäß symbolisch schützend berührt.
Am Fuße der steinernen Urne finden sich zwei kleine kupferne Schalen, die uns sofort an Weihwassergefäße erinnern und damit an die Heiligkeit dieses Ortes gemahnen.
Stilistisch erkennen wir hier bereits die Hinwendung des Künstlers zum Art déco, dem prägenden Stil der zwanziger Jahre.

Auszugsweise entnommen aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 05,  S.76 – S.81

März 2015

Das Grabmal des Schuhfabrikanten Carl August Emil Müller (1866-1906)

Aber dann starb viel zu früh, im August 1906, erst vierzigjährig, der geliebte Gatte Emil Müller in Wiesbaden.
Sein Leichnam wurde im drei Jahre zuvor eröffneten Mainzer Krematorium eingeäschert, die Witwe bewahrte dann die ihr übergebene Asche ihres Mannes in ihrem Hause auf.
Im Mai 1907, ein dreiviertel Jahr nach dem Tode ihres Gatten, verhandelte Jenny Müller mit dem Inspektor des Leipziger Südfriedhofes wegen des Erwerbs einer Grabstätte und legte die Entwurfszeichnung für ein Grabmal samt Urnengruft von der Hand des namhaften Darmstädter Architekten Karl Roth (1875-1932) vor, nach dessen Entwurf in jenen Tagen gerade das Neue Rathaus in Dresden erbaut wurde.
Danach ging alles sehr schnell – die Witwe Müller erwarb am 03. Juli 1907 für 2.025 Goldmark das hundertjährige Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.8 in der II. Abteilung des Südfriedhofes und bis zum 05. August 1907 erfolgte die Errichtung des Grabmales samt Urnengruft, in der die Asche des Gatten dann Aufnahme fand.

Von besonderem Interesse dürfte hier sein, dass die Ausführung des Grabmales aus rundum poliertem rotschwedischen Granit sowie der weißmarmornen Skulptur durch den gleichnamigen Vater des Architekten Karl Roth, dem Wiesbadener Bildhauer Carl Roth erfolgte. 
Ein früheres, schönes Zeugnis aus dem sepulkralen Werkschaffen des Bildhauers Carl Roth findet sich noch heute in dem 1880 gefertigten Grabmal für den Architekten Eduard Brömme (1822-1880) auf dem Wiesbadener Nordfriedhof.

Der Witwe Christine Jenny Müller war auch kein langes Leben beschieden. Sie starb drei Tage vor Heiligabend 1929 im Alter von 65 Jahren in Heidelberg – im dortigen Krematorium wurde ihr Leichnam eingeäschert, ihre Asche bereits am 28. Dezember 1929 in der Leipziger Urnengruft beigesetzt. 
Ihre drei Söhne haben wenig später der Stiftungskasse der Stadt Leipzig ein Kapital von 5.000 Reichsmark überwiesen, dessen Zinsen künftig die Pflege und Erhaltung der Grabstätte sichern sollten. Aber dann kam alles anders und das Geld verbrannte in den Wirren der nachfolgenden Zeiten. 

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen-Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 05, Seiten 82/83

Februar 2015

Die Grabstätte des Brauereibesitzers Friedrich August Ulrich (1846–1911)

Wenngleich zeitlich nicht eindeutig datierbar, so können wir aber mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die von „Weidenbach und Tschammer“ geplante Anlage dann im zweiten Halbjahr 1908 errichtet worden ist.
Dabei dürfte die Ausführung sämtlicher Arbeiten der hoch angesehenen Leipziger Bildhauerwerkstatt E.F. Einsiedel übertragen worden sein.
Als Material wurde durchgängig ein feinkörniger Muschelkalkstein verwendet.
Über eine Breite von nahezu zehn Metern bildet die Grabmalwand die beabsichtigte majestätische Kulisse für die Grabstätte. Im Zentrum des etwa vier Meter hohen Mittelbaus, in einer von kannelierten Säulen flankierten, apsisartigen Nische steht eine imposante, aus einem Marmorblock gearbeitete, überlebensgroße weibliche Figur in langem Gewand, in den Händen eine Öllampe haltend.
Sie ist die Grabeswächterin, die den hier ruhenden Toten das ewige Licht spendet.
Darüber befindet sich auf dem kräftigen, gekehlten Sturzbalken – aus dem Stein erhaben ausgearbeitet – der Name des Patrons der hier einst im Tode vereinten Familie, FRIEDRICH  AUGUST ULRICH.
Beidseitig wird der Mittelbau von leicht gerundeten Pilastern begrenzt, denen jeweils ein Bildnis eingearbeitet wurde, welches uns zwei Putten zeigt, die in ihren Händen ein Stundenglas halten, um damit auf die unvermeidliche Vergänglichkeit unseres Lebens hinzuweisen.
Sie halten dieses Stundenglas über einen dekorativen Korb voller Rosen, womit sie gleichermaßen die Unvergänglichkeit der menschlichen Liebe symbolisieren. 
Beidseitig wird der Mittelbau von großen, fensterartigen und ornamentgeschmückten Anläufern umrahmt, die sich über einem hohen Einfriedungssockel aufbauen, der dann wiederum jeweils seitlich im rechten Winkel beginnt, die Grabfläche zu umschließen. Diese Einfriedung weitet sich dann aber in durchbrochener Feldarchitektur zum Halbrund, an dessen Enden jeweils auf schwerem Postament in prächtiger Trauerrobe samt kappenartiger Kopfbedeckung andächtig ein stattlicher Engel kniet. Mit seinen zum Gebet gefalteten Händen fixiert er auf seinen Knien einen Kranz aus Mohnblüten – ein symbolischer Ausdruck für den ewigen Schlaf der hier ruhenden Toten und die Fürbitten um die Aufnahme ihrer Seelen in das ewige Reich Gottes.

Der Schöpfer dieser kalksteinernen Engel als auch der marmornen Grabeswächterin ist der namhafte Leipziger Bildhauer Johannes Hartmann***3, der durch seine Heirat mit der Klinger-Witwe Gertrud geb. Bock letztlich an den Nachlass dieses bedeutendsten Leipziger Bildhauers gelangte und der noch heute mit Max Klinger in dessen Großjenaer Gruft ruht. Aber Hartmann hat durchaus mit zahlreichen eigenständigen Werken, darunter eine stattliche Anzahl bedeutender Grabmäler, seine eigene Künstlerschaft bewiesen – erinnern wollen wir auch an das im Jahre 1914 in Leipzig geweihte weißmarmorne Denkmal für Friedrich Schiller.

Die ganze Grabmalanlage ist heute von einer herrlichen Naturkulisse aus Rhododendren, hundertjährigen Lebensbäumen, Koniferen, starken Eichen und vielerlei anderen friedhofstypischen dendrologischen Kostbarkeiten umschlossen.
Wilder Wein, Efeu und diverse Farne arrondieren dieses stimmungsvolle Bild und schaffen in ihrer  jahreszeitlich beständig wechselnden Farbigkeit an diesem Ort immer wieder eine einzigartige Aura.        

Wehmut beschleicht unser Herz an diesem Ort, an dem wir wiederum erkennen müssen, dass auch die hier dargestellten göttlichen Boten, die Engel, sehenden Auges der irdischen Vergänglichkeit geopfert werden.
Und wenn sich niemand erbarmt, werden unsere Enkel, dessen können wir uns sicher sein, diesen absehbaren Verlust einst betrauern.                   

In mehreren Auszügen entnommen aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 05 / S.84–S.89

 

Januar 2015

Die Grabstätte des Knochenpräparators Wilhelm Schraepler (1861-1937)

Der Kaufmann Wilhelm Schraepler war Inhaber einer am Brühl ansässigen Knochenpräparatehandlung, die, so scheint es, ihm auch einigen Wohlstand ermöglichte.
Als im Februar 1914 seine Schwiegermutter, die verwitwete Fuhrwerksbesitzerin Johanne Sophie Acker, im Alter von 76 Jahren nach kurzem Leiden an einer Herzlähmung starb, wurde sie drei Tage später um die Mittagszeit hier, im Erbbegräbnis No.10 der X. Abteilung des Südfriedhofes beerdigt, das Wilhelm Schraepler tags zuvor für 1.300 Goldmark auf die üblichen hundert Jahre erworben hatte. 
Im Juli 1914 beantragte Wilhelm Schraepler den Bau einer Gruftanlage durch den Baumeister Max Müller, die dann offenbar auch im Sommer 1914 errichtet wurde.*1
In gleicher Zeit ersuchte der Leipziger Bildhauer Reinhold Carl um die Genehmigung,  die Grabmalanlage zu errichten, deren Fertigstellung uns die Akten aber erst ein Jahr später, vielleicht wegen des Krieges, im August 1915, belegen.

Der Bildhauer Reinhold Carl befand sich zu dieser Zeit im Zenit seines Schaffens und gehörte in Leipzig zu den gefragtesten Grabmalschöpfern, so hatte er gerade im September 1913 in der gleichen Abteilung des Südfriedhofes das überaus prächtige Grabmal für den verstorbenen Kaffee-Großhändler Richard Poetzsch errichtet.
Die gänzlich aus Muschelkalkstein errichtete Grabmalanlage Schraepler ist deutlich als Nachklang des bereits verflossenen Jugendstils erkennbar. Während in den Stein vertieft großbuchstabig FAMILIE SCHRAEPLER eingemeißelt wurde, verkünden aufgesetzte bronzene Lettern die Namen der in dieser Gruft beigesetzten verstorbenen Glieder der Familie.

Im Zentrum der Grabmalanlage thront majestätisch eine marmorne Skulptur, die ein nacktes Weib in aller Opulenz darstellt, dessen elegante Haarpracht mit dem üppigen Lockenschmuck ihre Weiblichkeit noch deutlicher hervorhebt.
Der Schoß der Schönen ist mit einem faltenreichen Tuch bedeckt und die Füße sind, trotz ihrer völligen Nacktheit, sandalengeschnürt. Während sie ihr leicht geneigtes Haupt mit der rechten Hand stützt, hält sie in der linken Hand erblühte Rosen als Zeichen der unvergänglichen Liebe.
Hinsichtlich der Deutung dieser Skulptur neigen wir auch hier zu einer Interpretation, die sich an die griechische Mythologie anlehnt: Die Figur ist als eine Muttergottheit anzusehen, eine Gebärerin, die Quelle allen Lebens, aber gleichsam auch als Todesgottheit, die den Menschen nach seinem irdischen Ende in ihren tröstenden Schoß aufnimmt. Sie ist also die Gäa.  


Zitiert aus: Alfred E. Otto Paul
„Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 05, S.96/97

 

*1 Über den Umgang mit dem Sarg der Sophie Acker während der Gruftbauarbeiten finden sich nirgends Informationen